Die Pflege ist in der Krise – wegen demografischer Herausforderungen, Personalmangel, schlechter Arbeitsbedingungen... Auch die Landwirtschaft ist in der Krise – wegen steigender Preise, Dürre und Hochwasser, Krieg und Lieferproblemen… Und dann die Krise des Wohnens – hunderttausende Wohnungen fehlen, vor allem barrierefreie und Sozialwohnungen.
Da braucht es neue Ansätze, Modelle, Ideen. Wir haben eine: Wir verbinden die Pflege im Alter [und bei Behinderung] mit der Landwirtschaft. Wir gründen den vermutlich ersten Pflegebauernhof in Südbaden. Und noch mehr: Wir bereichern ihn zusätzlich durch ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt. Das heißt: Nicht nur die Bauernfamilie und Menschen, die Pflege brauchen, leben auf dem Hof, sondern auch eine Gruppe von Menschen allen Alters und mit verschiedensten Berufen: z.B. aus Handwerk, Therapie, Wissenschaft, Kunst und Kultur…
Alle sollen sich gegenseitig anregen. Denn auch wer schon hinfällig ist und Hilfe braucht, kann in anderen Bereichen meist noch viel geben. Oder auf dem Hof mitarbeiten. Wir wollen die Kompetenzen der Menschen in den Mittelpunkt stellen, nicht ihre Defizite.
Wir suchen einen Ort, wo das geht, und Menschen, die unsere Vision teilen. Einen Bauern oder eine Bauernfamilie vielleicht, die ihre Scheune zu einem Haus mit Wohn- und Pflegezimmern oder ‑wohnungen umbauen möchte? So hat auch beispielsweise der Gründer des in Deutschland bekanntesten Pflegebauernhofs, Bauer Guido Pusch im Westerwald, vor 12 Jahren angefangen, als seine Großmutter pflegebedürftig wurde, aber nicht im Pflegeheim wohnen wollte.
Wir schaffen ein bis zwei selbstorganisierte Pflege-Wohngemeinschaften (jede 8 bis 12 Personen) und ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt (etwa 10 bis 15 Personen), wir brauchen also eher Platz auf einem großen Hof – oder einem Verbund mehrerer Höfe.
Wie das dann genau ausgestaltet wird, hängt davon ab, was der Bauer oder die Bauernfamilie, die unsere Idee teilt, mit uns zusammen daraus machen will. Finanzierung, rechtliche Konstruktion und alles Konkretere soll dann gemeinsam entwickelt und entschieden werden.
Denn wir wollen nicht so gern einen aufgegebenen Hof kaufen, sondern mit einem aktiven landwirtschaftlichen Betrieb zusammenarbeiten. Vielleicht mit einem, der nachhaltig-biologisch wirtschaftet, der Natur und Umwelt pflegt und schützt.
Das Neue gegenüber den wenigen bisher in Deutschland bekannten Pflegebauernhöfen ist, dass wir durch das Mehrgenerationen-Wohnprojekt den Hof mit dem Leben im Dorf und in der Stadt verbinden. Der Bauer oder die Bauernfamilie soll nicht alleine bleiben mit den pflegebedürftigen Menschen und einem (meist externen) Pflegedienst. Wir bringen unsere Kontakte, Erfahrungen und Kompetenzen mit ein und machen den Hof zu einem Dorf im Kleinformat.
Trotzdem muss natürlich Jeder und Jede den notwendigen Rückzugsraum haben, die Balance zwischen Gemeinschaft und individuellem Leben bleibt ständige Aufgabe.
Uns geht es nicht nur um Wohnen und Pflege. Wir wollen auch auf dem Bauernhof mitarbeiten, soweit wir das können. Und wir praktizieren viele Formen von Kunst: z.B. Märchen und Geschichten erzählen, Musizieren, Malen und Zeichnen, Bewegen und Tanzen, Theater spielen… Auch Kinder sollen dazu gehören, vielleicht sogar ein Naturkindergarten. Was möglich ist, hängt davon ab, was auch für eine interessierte Bauernfamilie sinnvoll und zukunftsweisend ist. Da lässt sich viel denken. Was uns dazu bisher eingefallen ist, steht auf der nächsten Seite: Varianten.
Auch da gibt es viele Aspekte: Die Anzahl alter, hochaltriger und pflegebedürftiger Menschen steigt; und die meisten wollen ihre letzte Lebensphase nicht im Altersheim verbringen. Ein Pflegebauernhof wäre da eine willkommene Alternative für Menschen, die Natur, Tiere, Pflanzen, Erde und Himmel lieben. Und eine gute Möglichkeit für Bürgermeister oder Gemeinderäte, neue Wege zu gehen, die Solidarität ihrer Bürgerinnen und Bürger zu fördern und die Gemeinschaft von Menschen untereinander und mit der Natur zu fördern. Ein dritter Aspekt ist die Ausstrahlung solcher innovativen Modelle über die Region hinaus – der Pflegebauernhof im Westerwald ist als Pionier in ganz Deutschland bekannt und wirbt damit indirekt für die kleine Gemeinde Marienrachdorf, die sonst kaum jemand würdigen würde. So könnte das Dreisamtal als erste Region mit Pflegebauernhof in Südbaden noch bekannter werden.
Am liebsten würden wir den Wohn- und Pflegebauernhof im Dreisamtal entstehen lassen. Weil es angebunden ist an Stadt, Land, Fluss und etliche Gemeinden, die uns unterstützen. Und weil dort alles ist, was die, die in unserem Projekt wohnen und Pflege erhalten werden, in ihrem Alltag brauchen. Vielleicht auch weil das Klima besonders angenehm ist und die Menschen... Wir werden aber auch jedes Angebot aus dem Umkreis von Freiburg prüfen.
Wir freuen uns über Menschen, die unsere Vision teilen und aktiv mitarbeiten wollen!
Immer wieder werden wir gefragt: Wie soll das denn aussehen? – Dafür gibt es, solange wir noch keinen Hof gefunden haben, ziemlich viele denkbare Möglichkeiten.
Ein Bauer oder eine Bauernfamilie könnte merken, dass sie von unserem Projekt profitieren kann. Wenn beispielsweise keine Nachkommen da sind, die den Hof übernehmen wollen, könnte der Bauer oder die Bäuerin ihre Landwirtschaft weiter betreiben, so lange es geht, unterstützt durch Menschen aus unserem Umkreis. Und wenn nötig, könnte der Bauer auf seinem eigenen Hof gepflegt werden, z.B. in der geplanten Pflege-Wohngemeinschaft, und sogar auf seinem Hof eines Tages gut unterstützt und gepflegt seinen Lebensabend verbringen.
Oder ein Jungbauer oder eine Jungbäuerin möchte den Hof, den sie erbt oder erben wird, nicht wie ihre Eltern bewirtschaften, sondern Neues wagen. Vielleicht ist der Hof zu klein für Vollerwerbs-Landwirtschaft und es bietet sich an, als zweites Standbein die Pflege von Menschen hinzu zu nehmen, vielleicht wird sogar schon die Großmutter im Bauernhaus gepflegt. Da liegt es nahe, weitere pflegebedürftige Menschen aufzunehmen und eine Pflege-WG daraus zu machen. Vielleicht sind Ferienwohnungen vorhanden, die zum Mehrgenerationen-Wohnprojekt umgewandelt werden können.
Es könnte auch sein, dass ein Landwirt seinen Hof nicht mehr völlig alleine betreiben und verantworten will und bereit ist, ihn mit uns zusammen in eine Genossenschaft umzuwandeln. Dann haben alle, die auf dem Hof leben und arbeiten, als Genossen gemeinsam die Verantwortung. Wenn genug Platz für Pflege-WG und Wohnprojekt ist, kann daraus ein Dorf im Kleinformat werden, an dem alle gleichermaßen aktiv beteiligt sind.
Natürlich können wir auch einen Hof kaufen, den ein Bauer aufgeben will, z.B. weil er sich irgendwo anders zur Ruhe setzt, sei es bei seinen Kindern in Norddeutschland oder im sonnigen Florida. Dann müssten wir das nötige Geld auftreiben, eine neue Landwirt:in finden, ggf. neue Tiere anschaffen usw. – auch möglich, aber nicht unsere Wunschvorstellung. Hätte immerhin den Vorteil, dass alles neu anfangen könnte und weniger Reibung zwischen Tradition und Neuem zu erwarten wäre.
Auch Miete wäre möglich. Zum Beispiel wenn jemand ein ungenutztes Bauernhaus gekauft hat und selbst nicht nutzen will. Dann muss voraussichtlich über ggf. notwendigen Umbau verhandelt werden. Und wir müssten, wie beim Kauf, Vieles ganz neu auf die Beine stellen.
Natürlich spricht auch gar nichts dagegen, uns einen Hof zu schenken. Für den guten Zweck: Pflege mit Wohnen und Landwirtschaft zu verbinden. Auch in diesem Fall könnte ein Bauer auf dem Hof bleiben bis nichts mehr geht und schließlich gepflegt werden.
Eine mögliche Variante soll noch erwähnt werden: Es könnte ein Lebens- oder Gnadenhof entstehen, auf dem Tiere nicht verwertet werden, sondern ihr Leben genauso wie die pflegebedürftigen Menschen in Ruhe zu Ende führen dürfen. Eine reizvolle Vorstellung, die z.B. von Zeitgenoss:innen favorisiert wird, die aus Tierwohl-Gründen vegetarisch oder vegan leben. Diese Variante würde allerdings, neben dem Aufbau einer Pflege-WG für Menschen und eines Mehrgenerationen-Wohnprojekts, auch die Finanzierung des Unterhalts der Tiere erfordern. Wir halten das im Moment für eine zu große Herausforderung für unsere kleine Gruppe.
Die Idee vom Dorf im Kleinformat ist allen diesen Möglichkeiten gemeinsam. Wenn Hof, Pflege-WG und Wohnprojekt noch durch eine Natur-Kita im Bauwagen ergänzt werden, ist das Dorf komplett. Jung und Alt und alle Dazwischen bilden ein lebendiges Ganzes, das atmet, indem die Welt von draußen hineinkommt und die Hofbewohner erleben, was draußen in der Umgebung, in der Gemeinde, im Tal passiert.
Und wenn ein Hof zu klein für unser Projekt ist, könnten sich mehrere Höfe, die nicht allzu weit auseinander liegen, zusammenschließen.
Klingt utopisch? Klar. Aber Neues wurde immer durch mutiges und großes, ja utopisches Denken geschaffen. Nie durch Fortsetzung dessen, was schon immer war. Wir vertrauen darauf, dass in Krisenzeiten nicht nur die Angst vor Katastrophen und sozialem Abstieg wächst, sondern auch die Bereitschaft, Zukunft zu gestalten, Neues zu denken und zu erproben.
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